Tausendfüßer

Dieses Care-Sheet dient zur ersten und allgemeinen Orientierung über diese Tiere und ist keineswegs als alleinige Information für alle Arten zu verwenden. Für detaillierte Informationen verweisen wir Sie auf folgende Bücher: PraxisRatgeber TausendfüßerGrundwissen Tausendfüßer sowie den Taschenatlas Wirbellose

Ordnung: Tausendfüßer werden taxonomisch zum Taxon der Myriapoda, welche ein Unterstamm der Arthropoda (Gliederfüßer) sind, gestellt. Zu den Myriapoda werden nicht nur die hier vorgestellten echten Tausendfüßer (= Doppelfüßer Diplopoda), sondern auch die Hundertfüßer (Chilopoda), Wenigfüßer (Pauropoda) und Zwergfüßer (Symphyla) gezählt. Innerhalb der Diplopoda kann man zudem mehrere Ordnungen unterscheiden: Spirobolida, welche überwiegend Bodenbewohner mit kurzen und kräftigen Beinen sind und die Subtropen bis Tropen beheimaten. Spirostreptida (z.B. Centrobolus splendidus) sind meist Baumbewohner und haben daher einen schlankeren Habitus mit längeren Beinen als die Spirobolida. Auch sie bewohnen die Subtropen und Tropen. Polydesmida (Coromus spec.) weisen im Vergleich zum kreisrunden Querschnitt der Spirobolida und Spirostreptida eine abgeplattete Körperform auf und sind daher gut zu erkennen. Auch sie kommen überwiegend in den Subtropen und Tropen vor.
Verbreitung: Tausendfüßer haben fast alle Kontinente besiedelt (mit Ausnahme der Polarregionen), wo sie sich an vielfältige Lebensräume angepasst haben. Hierbei kann eine Anpassung an Wälder und insbesondere Bäume erfolgen, aber genauso an Steppen- und Savannengebiete, Wüsten, Felder oder Bergregionen. Daher ist es wichtig, dass Sie sich vor Erwerb des Tieres mit seinem Herkunftsgebiet vertraut machen und das Terrarium dementsprechend einrichten und gestalten!
Lebenserwartung: Tausendfüßer können 15 Jahre und älter werden.
Körpergröße: Die Körpergröße hängt sehr von der Art und dem Lebensraum der Tiere ab. Tropische Arten werden hierbei meist größer als Arten der gemäßigten Breiten oder aus Höhenlagen. Die Körpergröße kann so im Bereich weniger Zentimeter liegen und bei dem größten Vertreter Archispirostreptus gigas auch bis zu 32 cm betragen.
Aktivitätsphase: Die Aktivitätsphasen der Tiere beschränken sich auf die Dämmerungs- und Nachtstunden. Tagsüber liegen sie meist verborgen und versteckt in Höhlen, unter Moos und Blättern oder in Baumhöhlen.
Nahrung: Tausendfüßer sind Allesfresser (omnivor), leben aber überwiegend vegetarisch (herbivor). Sie können sehr abwechslungsreich ernährt werden. Als Zersetzer von organischem „Abfall“ wie BlätternTotholz und Früchten spielen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem. Im Terrarium fressen sie Teile des Bodensubstratesaber auch Früchte und Gemüse. Hierbei sollte man  darauf achten, dass man den Tieren keine Zitrusfrüchte anbietet. Alle Futtersorten sollten ungespritzt beziehungsweise gründlich gewaschen sein. Gerne genommen werden weiche Obst- und Gemüsesorten wie Tomaten, Salatgurken, Pilze, Äpfel, Birnen, Melonen, Steinobst und Bananen. Aber auch gekochte Kartoffeln, gedünstete Karotten und Erbsen werden gerne von den Tieren gefressen. Der Bedarf an Proteinen kann durch tote Futterinsekten aus der Reptilienhaltung erfolgen. Aber auch Fischflockenfutter, eingeweichtes Hunde- oder Katzentrockenfutter kann den Tieren gereicht werden. Beetle Jellys werden ebenfalls nicht verschmäht. Für eine ausreichende Calciumzufuhr kann man Soil Conditioner CA oder Eierschalen in den Bodengrund einmischen. Für Tausendfüßer, welche zu den Spiroboliden (z.B. Centrobolus splendidus) oder zu den Polydesmiden (Coromus spec.) gezählt werden, ist es wichtig, dass die Tiere ausreichend Totholz und Laub zur Verfügung haben, da sich die Tiere in der Natur fast ausschließlich davon ernähren und Standardfutter in der Regel verweigern. Gute Erfolge erzielte hier die Verfütterung von Beetlefix 1.
Fortpflanzung und Aufzucht:  Die Geschlechtsbestimmung bei Tausendfüßern gestaltet sich für Anfänger nicht immer einfach. Bei männlichen Tieren der Spirobolida und der Spirostreptida fehlen aber die Laufbeinpaare im 7. Körpersegment (genauer gesagt trifft dies nur auf die Spirobolida zu, denn bei den Spirostreptida fehlt nur das erste Beinpaar, während der zweite Beinpaar reduziert wird). Ist dies bei einem Tier der Fall, handelt es sich demnach um ein Männchen, denn hier sitzt die Geschlechtsöffnung aus der ein Begattungsorgan (Coxalblase, welche die Gonopoden umhüllt) ausgestülpt werden kann. Die eigentlichen Geschlechtsorgane der Tausendfüßer befinden sich sowohl bei Männchen und Weibchen im 3. Körpersegment: bei Männchen findet man hier einen paarigen Penis und bei den Weibchen die ebenfalls paarigen Vulven. Nach erfolgreicher Paarung kommt es meist zur Eiablage. Die Eier können je nach Art einerseits lose in das Bodensubstrat abgegeben werden oder andererseits in Eipaketen abgesetzt werden, welche aus vorverdautem bzw. angedautem Pflanzenmaterial gebildet werden. Diese Eipakete können Ähnlichkeiten zu den Fäkalpellets aufweisen, weswegen man diese nicht sofort entsorgen, sondern mit ein wenig Bodengrund für einige Zeit verwahren sollte, möchte man diese Tiere nachzüchten. Die Jungtiere schlüpfen dann artabhängig nach wenigen Wochen bis Monaten. Nach dem Schlupf sind die meisten Jungtiere (Larven) unpigmentiert. Nach jeder Häutung nimmt die Pigmentierung zu und auch die Zahl der Körpersegmente steigt stetig.
Terrarium: Die Terrariengröße richtet sich nach der erwartenden Endgröße der Pfleglinge. Hierbei sollte das Terrarium ein Verhältnis von dreifacher Körperlänge der Tiere in der Länge und zweifacher Körperlänge der Tiere in der Breite aufweisen. Die Ausrichtung des Terrariums richtet sich zudem auch nach der Lebensweise der Tiere: für baumbewohnende Arten bietet sich ein Hochterrarium in den erwähnten Größenordnungen an, Bodenbewohner benötigen eine geringere Höhe, aber eine größere Grundfläche, welche mit ausreichend Bodengrund versehen werden muss. Für alle Arten sollten die Terrarien gemäß der Lebensweise der gehaltenen Pfleglinge strukturiert sein: für Baumbewohner viele Kletteräste und Korkröhren, für Bodenbewohner eine hohe Bodenschicht mit Rindenstückchen und einer Laubschicht auf dem Boden. Bewohnern der „Strauchschicht“ bietet man am besten eine Zwischenlösung aus den beiden zuerst genannten Varianten an. Die Einrichtung kann durch entsprechende Pflanzen, Moose und Farne komplettiert werden. Die Bodenschicht sollte aus nährstoffreichen Substrat bestehen. Hierzu sollte man auf Nadelhölzer verzichten und stattdessen ungedüngte Terrarienerde, Laubhäckselweißfaules Holz und Calciumsand oder Calciumgrit zur Auflockerung verwenden. Die Substrathöhe sollte so gewählt sein, dass sich die Tiere darin für die Häutung ausreichend tief vergraben können. Eine gesonderte Beleuchtung und Wärmequelle sind in der Regel nicht erforderlich: die meisten Arten lassen sich trotz ihrer (sub-)tropischen Herkunft gut bei Zimmertemperaturen im Bereich von 20° - 25°C halten. Für Beleuchtungszwecke an dunklen Standorten haben sich Halogenleuchten oder Schreibtischlampen bewährt. Auf ausreichende Luftfeuchtigkeit der Terrarien ist ebenfalls zu achten, Staunässe sollte hierbei aber vermieden werden.
Wehrsekrete: Fast alle Tausendfüßer sind in der Lage, sich mithilfe von Wehrsekreten zu verteidigen. Diese Sekrete werden aus seitlichen Öffnungen des Panzers abgegeben und sind eine Mischung aus verschiedenen Substanzen, welche die Schleimhäute reizen und Gewebe anfärben können. In der Regel stellt dieses Wehrsekret keine Gefahr für Menschen dar, es kann aber ein gewisses allergenes Potenzial nicht ausgeschlossen werden. Personen, die empfindlich auf tierische Ausscheidungen und Sekrete reagieren, sollten vor Anschaffung solcher Tiere auf eventuelle Allergien und Unverträglichkeiten getestet werden. Arten wie Mardonius parilis acuticonusArchispirostreptus gigas oder Thyropygus ligulus geben selten Wehrsekrete ab und sind somit für Anfänger gut geeignete Tiere.
Tiere der Gattung Salpidobolus verfügen übrigens über ein starkes Wehrsekret, welches auch über eine gewisse Distanz verspritzt werden kann. Pflegemaßnahmen bei diesen Tieren sollten daher nur mit entsprechenden Schutzmaßnahmen wie Handschuhen und Schutzbrillen durchgeführt werden.
Polydesmiden (Coromus spec.) sondern regelmäßig gasförmiges Cyanid (Blausäure) ab. Das Hantieren mit diesen Tieren ist daher auf das Notwendigste zu reduzieren. Zudem müssen die Tiere in ausreichend belüfteten Terrarien gehältert werden, da sonst eine Selbstvergiftung der Tiere droht. Als Halter sollte man Räume, in den Polydesmiden gehalten werden, regelmäßig Lüften um einen Anstieg der Blausäurekozentration in der Luft zu minimieren. Treten bei Haltern länger anhaltende Atembeschwerden auf (über einen Zeitraum von 30 - 60 Minuten), so ist ein Arzt zu konsultieren. Unter Einhaltung der entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen lassen sich aber auch Vertreter wie Salpidobolus spec. und Polydesmiden gut halten.
 
Autoren: Dr. rer. nat. Martin Singheiser, Martin Höhle
©the Pet Factory 2018